Saturn im Steinbock und die Wintersonnwende
Die Faszination der Synchronizitäten
Die Hintergründe:
- Wir stehen an der Wende zweier Weltenmonate – dem Wechsel vom Fische- ins Wassermannzeitalter. Wassermann steht unter anderem für Freiheit, Gleichwertigkeit und Individualität.
- Am 20. Dezember wechselt Saturn vom Schützezeichen ins Steinbockzeichen, seinem Domizil.
- Und in der Nacht vom 21. auf den 22. Dezember findet die Wintersonnwende statt. Ein Ritual, das seinen Ursprung in matriarchalen Zeiten hat.
Dass dieser Übergang Saturns in sein Domizil zur Wintersonnwende stattfindet und von der Lilith, der Sonne und der Venus begleitet wird hat mich zum Nachdenken angeregt, treffen hier doch männliche und weibliche Faktoren auf unterschiedlichste Art und Weise und zu einer Schwellenzeit aufeinander.
Beginnen möchte ich mit der Wintersonnwendfeier. Sie war und ist der Wiederkehr des Lichtes gewidmet. In den alten Kulturen wurden zur längsten Nacht des Jahres alle Feuer gelöscht. Ein mutiger Schritt, war es doch im Winter und in der Nacht die einzige Licht- und Wärmequelle und wurde bestens gehütet. Dann wurde von Eingeweihten in einem heiligen Ritus das Licht neu entfacht und in die Haushalte gebracht. Die zugrunde liegenden Mythen sprechen davon, dass in dieser dunkelsten Nacht des Jahres, die Göttin das Sonnenkind wiedergebiert und ein neuer Lebenszyklus beginnt, der in den acht Jahreskreisfesten, den Sonnen- und Mondfesten gefeiert wurde. Heute kennen wir noch u. a. die Julfeste im Norden, das Weihnachtsfest mit dem hell leuchtenden Tannenbaum, die Rauhnächte im Alpenraum, die Feuerräder in der Schweiz, die Feste zu Ehren der heiligen Lucia und viele mehr, je nach Kulturraum, auch wenn wir ihren ursprünglichen Sinn weitgehend vergessen haben.
Eigentlich müssten wir aus astrologischer Sicht diese Lichterfeste der Jupiter-Energie zuordnen, die uns Hoffnung und Vertrauen verspricht. Doch tritt zu dieser Zeit die Sonne ins Steinbockzeichen mit seinem Herrscher Saturn ein, den wir mit Realitätssinn, Disziplin, Leistung, Kargheit, und dem Ende in Verbindung bringen. Das hat mich schon immer ein wenig irritiert und zu weiteren Gedanken in Bezug auf Jupiter und Saturn als Gesellschaftsplaneten geführt:
Beide herrschen nach klassischer Lehre über je ein weibliches und ein männliches Zeichen: Jupiter über Schütze und Fische, Saturn über Steinbock und Wassermann, aber es sind zwei männliche Gottheiten.
Und somit führt der Weg zur griechischen Mythologie, deren Blütezeit in das beginnende patriarchale Zeitalter fällt und die viele Einflüsse auf die westliche Astrologie hatte. Mit Zeus und Chronos, später dann Jupiter und Saturn kippt die Ordnung hin zum Männlichen. Dieser Übergang zeigt sich auch darin, dass in den Texten dieser Zeit die männlichen Götter oft die noch herrschenden Göttinnen verschlangen oder raubten und somit die weibliche Macht mit übernahmen. Mythen geben immer das Zeitgeschehen und die gesellschaftlichen und kulturellen Werte und Prägungen wider. Somit war dieses Einverleiben eine Notwendigkeit, um das Patriarchat zu stärken und das zu Ende gehende Matriarchat zu schwächen. Entwicklungstechnisch gesehen ein notwendiger Prozess, wie hätten wir sonst die Erfahrungen sammeln können, die wir brauchen, um in die Gleichwertigkeit zu kommen.
Eine kurze Zusammenfassung der wesentlichen Unterschiede beider Gesellschaftssysteme:
Patriarchat – Herrschaft der Väter
- Hierarchische Struktur
- Besitzdenken, Machtstreben, Wettbewerbsgedanke, Konkurrenzdenken
- Kampf gegen etwas
- Das Individuum steht im Vordergrund
- Kausales – lineares – dualistisches Denken – „Entweder-Oder“
- Männliche Götter – Monotheismus
- Trennung von Sakral und Weltlich
Matriarchat – Am Anfang die Mütter
- Clangebilde – Vernetzung durch Schaffen von Verwandtschaftsverhältnissen
- Ausgleichsgesellschaften– Clanbesitz – Verwaltung durch die Frauen – Austausch von Gütern – weibliche Autonomie
- Entscheidungsfindung durch das Konsensprinzip
- Zyklisches Denken – „Sowohl-Als auch“
- Glaube an die Wiedergeburt – Ahnenverehrung
- Verehrung der Mutter Erde – des Kosmos – der Schöpfergöttin
- Jede Handlung ist heilig – keine Trennung von Sakral und Weltlich
Zurück zu Saturn: Er wird in der Astrologie unter anderem als Ordnungshüter einer Gesellschaft dargestellt. In unserer patriarchalen Gesellschaft vertritt er deren Grundsätze und zeigt sich oft in wertenden hierarchischen Ordnungen, einer übertriebenen Strenge, nicht hinterfragter Gesetzestreue und übermäßiger Leistungsorientiertheit. Dabei wird die Eigenverantwortung oft den gesellschaftlichen Erwartungen unterworfen.
Saturn wird in der Mythologie als männliche Gottheit mit weiblichen Attributen (z.B. Sense, Sichel, Totenkopf) dargestellt. Ein Widerspruch in sich oder ein Hinweis auf seine ursprünglich weibliche Form? Ebenso wie die Saturnalien, die im alten Rom zu seinen Ehren veranstaltet wurden, ein Fest bei dem die Standesunterschiede aufgehoben waren, Geschenke verteilt wurden und öffentliche Speisungen stattfanden, und in dem sich matriarchale Entsprechungen finden. Z.B. die Ausgleichsfeste, in denen die Clans mit den reichen Ernten ein Fest ausrichteten und Geschenke verteilten, damit die Ausgewogenheit und das Überleben für alle gewahrt blieben. Bei den Ureinwohnern an der Westküste Amerikas und Kanadas hat sich diese Tradition als Potlatch, dem Fest des Schenkens, erhalten.
Vielleicht ist es jetzt – mit dem Eintritt Saturns in den Steinbock, seinem weiblichen Domizil – an der Zeit, die saturnalen Ausdrucksformen zu erweitern. Dann können seine Potenziale wie die Fähigkeit, Struktur und Halt zu geben, ohne einzuengen, Realitätssinn ohne Pessimismus, Ausdauer, ohne sich zu verausgaben und Eigenverantwortung an Kraft gewinnen. Das Ziel wäre eine Gesellschaft mit verantwortungsbewussten Mitgliedern, in der jeder sein ureigenes „Vermögen“ in allen Formen einbringen darf. Auch dies ist ein matriarchaler Gedanke. Obwohl in dieser Ära nicht das Individuum sondern der Clangedanke im Vordergrund stand, wurde der Einzelne doch für sein ureigenes Vermögen wertgeschätzt, unabhängig von z.B. Alter oder Geschlecht. Durch diese Vielfalt war das Überleben aller gewährleistet und die vorhandenen Ressourcen wurden optimal genutzt.
Und wenn der zyklische Gedanke wieder Einzug in unserer Leben hält, und damit die Wertschätzung für die unterschiedlichen Lebensphasen, ist Saturn nicht mehr nur Herr der Zeit und des Todes, sondern wird zur „Herrin der Übergänge“. Unter diesem Aspekt würde der Beginn der Steinbockzeit im Jahreslauf als Übergangsphase von der Dunkelheit ins Licht einen neuen Sinn ergeben.
Um diese neuen Ideen wirklich ins Leben zu bringen, müssten wir uns eigentlich immer wieder Fragen stellen wie zum Beispiel:
Was ist uns wichtig und wertvoll? Welches Maß tut uns gut? An welchen Werten orientieren wir uns? Wo halten wir an Altem fest, ohne es zu hinterfragen? Wo kasteien wir uns unnötig? Wo übernehmen wir (ungefragt) Verantwortung oder weigern uns, es zu tun? Können wir das, was uns zur Verfügung steht, genießen? Achten wir die Zyklen des Lebens? Wie sieht unser Umgang mit Übergängen wie z.B. Geburt und Tod aus?
Und damit noch einmal zum Schwellenritual der Wintersonnwende:
Heutzutage wird sie im schamanischen Kontext oft als ein Fest des Abschlusses gefeiert. In dieser dunkelsten Nacht des Jahres können wir voller Dankbarkeit alles, was uns bis jetzt begleitet hat und was ausgedient hat, weil es unserer Entwicklung nicht mehr förderlich ist der reinigenden Kraft des Feuers übergeben, um Raum für Neues zu schaffen. Dies geschieht voller Dankbarkeit für die durchlebten Prozesse und Erfahrungen, weil wir durch sie ein Stück wachsen konnten. Bei den Mondzyklen würde dies der balsamischen Phase kurz vor Neumond entsprechen, einer Zeit des Rückzugs, um zu innerer Klarheit zu kommen und des Aussortierens dessen, was nicht mit in den nächsten Zyklus genommen werden will.
Mit dem Wechsel Saturns in den Steinbock zur Wintersonnwende (das letzte Mal war dies etwa im Jahr 1664, also vor ca. 360 Jahren = 12 Umläufe) wäre zu überlegen, was in Bezug auf seine Kraft und seine astrologische Deutung dem Feuer übergeben werden kann, damit wir ihn aus einer neuen Perspektive betrachten und somit unser Deutungsspektrum erweitern können.
Wenn wir dies auf seine Funktion als Gesellschaftsplanet ummünzen, könnte auch hier eine neue Ära der Gleichwertigkeit beginnen, mit Jupiter als Vertreter der männlichen Energie (Herrscher des Schützen) und Saturn als Vertreter der weiblichen Energie („Herrscherin“ des Steinbocks). Ein Gedanke, der noch eine Menge Entwicklungspotenzial in sich birgt. Im beginnenden Wassermannzeitalter könnte dies die Möglichkeit sein, die Erfahrungen der matriarchalen Ära mit den Erkenntnissen des Patriarchats zu einer Synthese zu bringen. Das würde bedeuten, dass wir aus beiden Epochen das Beste ziehen als Grundstein zu einer egalitären Gesellschaft.
Und dies würde auch dem neu beginnenden Zyklus von Jupiter und Saturn im Wassermann entsprechen, der am 21. Dezember 2020 – wieder zur Wintersonnwende – stattfindet.
Ich wünsche Euch und Ihnen schöne Wintertage, Rauhnächte und Lichterfeste!
Herzlich Jutta